EPILEPSIE
WAS IST DAS ÜBERHAUPT?
WAS IST EPILEPSIE?

Epilepsie ist eine Erkrankung des Gehirns. Einzelne Hirnbereiche oder auch das ganze Gehirn sind übermäßig aktiv und geben zu viele Signale ab. Das löst sogenannte epileptische Anfälle aus. Epilepsie ist eine häufig auftretende meist chronische Erkrankung des Gehirn mit unterschiedlichsten Ursachen, die in jedem Alter beginnen kann. Epilepsie hat kein einheitliches Krankheitsbild, d.h. die Krankheit kann sich in unterschiedlichsten Anfallsformen äußern.
URSACHEN
- Strukturelle Ursachen sind beispielsweite strukturelle Veränderungen im Gehirn, die über ein MRT sichtbar gemacht werden können. Sie können sowohl genetisch, als auch erworben sein. Die strukturellen Veränderungen entstehen beispielsweise durch einem Schlaganfall, Infektionen oder ein Schädel-Hirn-Trauma.
- Genetische Ursachen stehen immer mehr im Fokus der Forschung. Hier kann es sich um „vererbte“ genetische Veränderungen handeln oder um neue Mutationen
- Infektiöse Ursachen liegen dann vor, wenn die Epilepsie die direkte Folge einer bekannten Infektion ist.
- Immunvermittelte Ursachen für Krampfanfälle liegen immer bei einer Immunerkrankung vor. Epilepsien können beispielsweise durch Entzündungen des Gehirns durch Autoimmunerkrankungen wie Enzephalitis verursacht werden.
- Metabolische Ursachen umfassen eine Reihe von Stoffwechselstörungen. Es wird davon ausgegangen, dass die Epilepsie direkt von einer bekannten oder vermuteten Stoffwechselstörung ausgeht.
- Unbekannte Ursachen (idiopathische Epilepsie) definieren Epilepsie, deren Ursache durch sämtliche zur Verfügung stehenden Untersuchungsmöglichkeiten nicht geklärt werden können.
ANFALLSFORMEN
Epileptische Anfälle können sich in verschiedenen Formen äußern. Manchmal sind sie klar erkennbar und folgen genauen Abfolgen manchmal ist es schwierig eine Geschehen als Anfall zu erkennen. Nachfolgend findet ihr eine kurze Übersicht der verschiedensten Anfälle. Generell kann man die Anfälle in 3 Kategorien einteilen: Fokale Anfälle, generalisierte Anfälle und umklassifizierte Anfälle.
- Fokale Anfälle mit und ohne Bewusstseinsverlust
Fokale Anfälle beginnen in einem bestimmten Abschnitt des Gehirns, z. B. in einem Teil eines Schläfenlappens oder im Stirnlappen und bleiben zum Teil auch auf diesen Abschnitt beschränkt. Das bedeutet, dass die Aktivität der Nervenzellen in den anderen Gehirnteilen während eines solchen Anfalls ungestört bleibt. Fokale Anfälle werden auch als „Herdanfälle“ bezeichnet. Die wichtigsten Formen fokaler Anfälle bei Jugendlichen und Erwachsenen sind solche ohne und mit Bewusstseinsstörung sowie fokal eingeleitete, sekundär generalisierte tonisch-klonische Anfälle.
- Generalisierte tonisch-klonische (Grand-mal-) Anfälle
Bei generalisierten Anfällen sind von Anfang an beide Hälften des Gehirns am Anfallsgeschehen beteiligt. Dies drückt sich in Anfallszeichen auf beiden Körperseiten, beidseitigen EEG-Veränderungen und einem Bewusstseinsverlust aus. Sekundär oder erst im weiteren Ablauf generalisierte Anfälle entwickeln sich aus fokalen Anfällen, die zunächst nur einen Teildes Gehirns betreffen.
- Absencen
Absencen sind generalisierte Anfälle bei denen eine wenige Sekunden anhaltende „Abwesenheit“ ohne wesentliche sonstige Zeichen auftritt, während der die Betroffenen nicht ansprechbar sind und für die sie hinterher eine Erinnerungslücke (= Amnesie) haben. Absencen beginnen und enden plötzlich, die jeweilige Tätigkeit wird schlagartig für 10 bis 20 Sekunden unterbrochen und hinterher genauso schlagartig wieder aufgenommen, in der Regel so, als ob nichts passiert wäre. Absencen sind bei Kindern sehr viel häufiger als bei Erwachsenen.
- Myoklonien
Myoklonien sind plötzliche, „einschießende“ und kurze Zuckungen meist umschriebener Muskelgruppen des Körpers mit einem dadurch bewirkten Bewegungseffekt, meist ohne Bewusstseinsstörung. Manche myoklonischen Anfälle betreffen nur die Schulter- und Armmuskulatur, was bspw. zu einem „Schleudern“ der Arme führt; bei anderen Formen können alle Muskeln beteiligt sein.
- Atonische Anfälle
Sturzanfälle werden auch als astatische (atonische) Anfälle bezeichnet. Es handelt sich um Anfälle, bei denen das Kind plötzlich die Kontrolle über seine Muskeln verliert. Dies kann unter anderem ein Sturz durch plötzliches Abschlaffen der Beinmuskulatur sein oder ein kurzes Nicken des Kopfes.
- Dissoziative Anfälle
Dissoziative Anfälle werden auch nicht epileptische, psychogene oder funktionelle Anfälle genannt. Während des Anfalls kommt es zu einem plötzlichen Verlust der Kontrolle über den eigenen Körper, oft begleitet von einer starken Einschränkung der Bewusstseinsfunktionen. Die Anfälle können sehr unterschiedlich aussehen. Die Ursachen sind individuell und vielfältig, jedoch treten dissoziative Anfälle in der Regel im Zusammenhang mit belastenden Gefühlen oder Stress auf.
WEITERE WICHTIGE BERGIFFE
- Status Epilepticus
Als Status epilepticus werden länger als 10 Minuten anhaltende epileptische Anfälle oder mehrere, so rasch aufeinander folgende Anfälle bezeichnet, dass es zwischenzeitlich nicht zu einer Erholung kommt. Wie bei sonstigen epileptischen Anfällen gibt es Formen mit und ohne „Krampfen“ (= „konvulsiver“ und „nichtkonvulsiver“ Status epilepticus) und solche mit und ohne Bewusstseinsverlust.
- Aura
Eine Aura (Mehrzahl = Auren) ist ein meist nur wenige Sekunden dauernder einfacher fokaler Anfall ohne Bewusstseinsstörung, der häufiger in einen komplexen fokalen Anfall – dann mit Bewusstseinsstörung – oder einen sekundär generalisierten tonisch-klonischen („Grand-mal-“) Anfall übergeht und von den Betroffenen deswegen als Warnzeichen empfunden wird. Auren sind also selbst schon Teil des Anfalls. Sie werden wie alle einfachen fokalen Anfälle bewusst erlebt und können später erinnert werden.
- SUDEP
SUDEP steht für sudden unexpected death in epilepsy und beschreibt plötzliche und unerwartete Todesfälle bei Epilepsiepatienten. Diese Todesfälle treten als Folge eines Anfalls aus einem weitgehend normalen Gesundheitszustand ohne weitere erkennbare Ursachen auf.
Untersuchungen
- Bildgebende Untersuchungen
Die Kernspintomografie, MRT oder Magnetresonanztomographie ermöglicht es, die Struktur des Gehirns darzustellen. Hierbei können Fehlbildungen, Reifungsstörungen, Verletzungen und Tumore festgestellt werden, die Ursache für symptomatische Epilepsien sein können.
- EEG (Elektroenzephalogramm)
Mit Hilfe des EEG können die Gehirnströme des Patienten als Kurven, ähnlich wie beim EKG, aufgezeichnet werden (meist mit parallel laufender Video-Aufzeichnung). Das Aussehen dieser Kurven (Höhe und Form sowie Frequenz des Ausschlags) ist abhängig vom Alter und der Wachheit des Betroffenen. Bei bestimmten Epilepsieformen findet man ganz charakteristische Muster im EEG. Dabei werden auch Provokationsverfahren wie z. B. Hyperventilation oder Lichtblitze eingesetzt. Manchmal ist auch das EEG im Schlaf bzw. beim Einschlafen für den Arzt sehr aufschlussreich oder aber eine Aufzeichnung über 24 Stunden und länger notwendig.
- Prächirurgische Untersuchung
Ziel einer prächirurgischen Untersuchung ist die Klärung, ob bei Patienten mit einer fokalen Epilepsie, bei denen mit einer medikamentösen Behandlung keine Anfallsfreiheit erreicht werden kann (Pharmakoresistenz), die Möglichkeit einer operativen Epilepsietherapie besteht.
- Genetik
Die genetische Untersuchung, also die Untersuchung des Erbgutes kann Aufschluss über die Ursache der Epilepsie geben. Im besten Falle kann die Therapie besser auf die Epilepsie angepasst werden.
Dabei gibt es verschiedene Untersuchungen: die Chromosomenanalyse, hier werden Chromosomen, also die Träger der Erbinformation, im Lichtmikroskop sichtbar gemacht und auf eventuelle Bauplanstörungen untersucht. Die Exom- und Genom-Sequenzierung, hierbei wird unter Berücksichtoigung der Symptome eine individuelle Liste von Kandidatengenen bestimmt, die alle bekannten, mit dem Krankheitsbild des Patienten assoziierten Gene umfasst. Hier kann nur das Genom des Kindes (Einzel-Exom-Diagnostik) untersucht werden oder eine Trio-Exom-Diagnostik durchgeführt werden. Das bedeutet, dass auch ein Abgleich mit den Genen der Eltern erfolgt, um die Relevanz der genetischen Veränderung beim Kind im Blick auf das Krankheitsbild zu überprüfen.
- Stoffwechselstörungen
Eine Reihe von Stoffwechselstörungen sind mit Epilepsie verbunden. Bei einer metabolischen Epilepsie wird davon ausgegangen, dass sie direkt von einer bekannten oder vermuteten Stoffwechselstörung ausgeht. Metabolische Ursachen können Stoffwechseldefekte sein, die zu biochemische Veränderungen im ganzen Körper führen können, wie beispielsweise der Glukosetransporter 1-Defekt (GLUT1-Defekt) – eine erbliche Stoffwechselerkrankung. Hier wäre zum Beispiel die ketogene Ernährungstherapie das Mittel der Wahl.
Therapiemöglichkeiten
- Medikamentöse Behandlung
Mit sogenannten Anti-Anfallsmedikamenten (auch Antiepileptika bzw. Antikonvulsiva genannt) gelingt es vielen, ihre epileptischen Anfälle zu unterdrücken und anfallsfrei zu werden. Die eigentliche Ursache der Epilepsie wird durch sie jedoch nicht behoben. Aus diesem Grund ist für die Mehrzahl aller Epilepsie-Patient:innen eine lebenslange Einnahme der Anti-Anfallsmedikamente notwendig.
Es hängt von vielen Faktoren wie der Ursache der Erkrankung oder der Epilepsie-Form ab, ob eine Anfallsfreiheit tatsächlich erreicht werden kann. Ist es nicht möglich, epileptische Anfälle komplett zu verhindern, sollen im Rahmen der Behandlung zumindest ihre Häufigkeit und Stärke gesenkt werden. Nebenwirkungen sollten dabei gering sein, um die Lebensqualität der Betroffenen möglichst wenig zu beeinträchtigen.
Unterschieden wird die Monotherapie, hierbei wird nur ein Medikament eingenommen und die Kombinationstherapie, bei der mindestens zwei Medikamente parallel eingenommen werden. Dabei ist die Anfallsform wichtig für die Wahl der Medikamente. Es gibt beispielsweise Medikamente, die nur bei fokalen Anfällen wirksam sind.
Eine pharmakoresistente Epilepsie besteht, wenn trotz angemessener Behandlung mit mindestens zwei antikonvulsiven Medikamenten, in Mono- oder auch in Kombinationstherapie, weiterhin epileptische Anfälle jährlich auftreten.
- Ketogene Diät
Eine ketogene Diät kann als Ernährungstherapie vor allem bei Kindern zur Behandlung von Epilepsie eingesetzt werden, wenn Medikamente nicht ausreichend wirken (medikamentenresistente Epilepsie). Bei einigen Formen der Epilepsie im Kindesalter wird sie besonders häufig angewendet. Die ketogene Ernährungstherapie wird aber zunehmend auch im Erwachsenenalter erfolgreich eingesetzt.
Ketogene Ernährung ist sehr fettreich und extrem arm an Kohlenhydraten. Dadurch wird die Energie für das Gehirn vorwiegend durch aus dem Fettabbau stammende Ketone statt durch Glukose bereitgestellt. Dies führt zum Zustand der sog. Ketose.
Durch ein schrittweises Umstellen der Ernährung mit Hilfe der klassischen ketogenen Diät (KD) oder der modifizierten AtkinsDiät (MAD) kann eine Anfallsreduktion oder sogar -Freiheit erreicht werden kann.
Die ketogene Ernährung bei Epilepsie sollte unbedingt unter Aufsicht von Ärzten und Ernährungsexperten stattfinden. Die Einstellung erfolgt meist stationär.
Erlaubte Lebensmittel sind etwa stärkearme Gemüse, Fleisch, Fisch, Eier, Käse, Nüsse und (vorzugsweise pflanzliche) Fette. Weitgehend verboten sind Getreideprodukte, Kartoffeln, Zucker und süßes Obst.
- Epilepsiechirurgie
Reicht die medikamentöse Therapie beispielsweise nicht aus, ist in einigen Fällen eine Operation sinnvoll. Für einen erfolgsversprechenden operativen Eingriff ist es notwendig, die sogenannte epileptogenen Zonen (die Areale des Gehirns, indem die epileptische Aktivität zu Anfällen führt) zu ermitteln. In der Regel kommen daher für eine Operation nur Patient:innen mit einer fokalen Epilepsie in Frage, da sich bei generalisierten Epilepsien keine eng umschriebenen epileptogenen Zonen eingrenzen und mit dem operativen Eingriff gezielt „behandeln“ lassen.
Bei den chirurgischen Verfahren unterscheidet man zwischen der resektiven und der nicht resektiven Epilepsie-Chirurgie. Mit einem resektiven Eingriff kann eine Epilepsie geheilt werden, indem die erkrankten, anfallsauslösenden Regionen des Gehirns entfernt oder abgetrennt werden. Falls ein resektiver Eingriff nicht möglich ist, kann der erkrankten Person eventuell eine nicht resektive Operation helfen. Sie kann bewirken, dass die Anfälle seltener auftreten und/oder weniger schwer verlaufen – eine Anfallsfreiheit wird durch diesen Eingriff aber nur selten erreicht. Diese Behandlungsformen entfernen kein Gewebe aus dem Gehirn, sondern sehen beispielsweise ein Durchtrennen von Hirnverbindungen (Kallosotomie) vor, um die einen epileptischen Anfall auslösenden Prozesse im Gehirn zu unterbrechen.
- Vagusnervstimulation
Die Vagusnervstimulation (abgekürzt: VNS) ist derzeit das zur Behandlung der Epilepsie am häufigsten angewendete Stimulationsverfahren. Für die Vagusnervstimulation wird ein Schrittmacher unter die Haut der Brustregion unterhalb des Schlüsselbeins eingesetzt, der kontinuierlich elektrische Impulse generiert. Die regelmässigen Stromimpulse des „Hirnschrittmachers” sollen eine Hemmung der epileptischen Hirnaktivität bewirken und so zu einer Verringerung der Anzahl und Intensität der Anfälle führen.
BEHANDLUNGSORTE
Die Behandlung der Epilepsie kann je nach Anforderungen oder persönlichen Vorlieben an unterschiedlichen Stellen erfolgen. Lokal niedergelassene Neurologen oder Neuropädiater für Kinder sind eine Möglichkeit. Manchmal macht es aber auch Sinn in eine Klinik zu gehen, die auf die Epilepsie-Behandlung spezialisiert ist. Dies können Schwerpunktpraxen für Epilepsie, Kliniken mit Epilepsieambulanz oder spezielle Epilepsiezentren sein.
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